Dank eines wunderbaren Zufalls bin ich kürzlich auf einer Kakaofarm in Costa Rica gelandet. Im „La Iguana Chocolate“ werden meine Träume vereint: Kakao in Permakultur und feinste Schokolade. Und auch wenn böse Zungen anderes behaupten, es muss wohl an der Schokolade liegen, dass Costa Rica die Schweiz Mittelamerikas genannt wird!
Mein Telefon hat unglücklicherweise den Geist aufgegeben und ich kann es nur in Costa Rica umtauschen. Gesagt getan, einen Versuch ist es wert! Schon reise ich von von Hauptstadt zu Hauptstadt, per Bus sind es nur einige Stunden von Managua nach San José.
Dort, im Hostel ins Gespräch gekommen, erzählte ich anderen Reisenden von meiner Kakao-Passion und meinem Traum die Faszination für Kakao und Schokolade weiterzugeben, die, so wie ich das erste Mal in Zentralamerika, noch niemals einen Kakaobaum gesehen haben oder die köstliche Kakaofrucht gekostet haben. Schnell hat einer der anderen Gäste seinen Reiseführer zu Rate gezogen (ich reise ja seit geraumer Zeit ohne) und einen Familienbetrieb, etwa drei Stunden von der Hauptstadt entfernt, ausfindig gemacht. Volontäre willkommen! Schnell ist der Kontakt aufgenommen und die Ankunft für den übernächsten Tag ausgemacht. Anstatt im Smog auf die Reparatur meines Telefons zu warten, werde ich also in den Bergen weiter dem auf den Grund gehen, was mich brennend interessiert: Kakaoanbau und -verarbeitung in verschiedenen Ländern Zentralamerikas, Herstellung von Schokolade, Permakultur und tropische Nutzpflanzen.
Die Fahrt nach Mastatal ist nicht ganz so abenteuerlich wie in manch anderem Land, aber ich stelle fest, dass es auch im hochentwickelten Costa Rica noch unasphaltierte Straßen gibt und Busrouten, die nur einmal täglich verkehren. Wunderschöne Bergpanoramen begleiten die Busfahrt nach Mastatal und die Ankunft im „La Iguana Chocolate“ wird mir mit einem herrlichen Sonnenuntergang versüßt.
Eigentlich ist das gar nicht nötig, denn ich bin begeistert von der Location. Seit 30 Jahren wird hier Kakao angebaut, die Finca ist umgeben von Kakao. Ein kurzer Besuch im Garten hinter dem Haus offenbart Moringa, Spinat, Nim und mir unbekannte Pflanzen, die wir für die Zubereitung des abendlichen Salats pflücken. Auf der Plantage rund ums Haus wird anhand verschiedener Techniken Grasland wieder aufgeforstet. Mulch aus dem Bioklo, Gräben für Bewässerung und Erosionsschutz, Optimierung durch Biomasse, angepasste Lebensräume und Artenvielfalt. Deswegen sieht die Plantage auch gar nicht aus wie eine solche, sondern vielmehr wie ein großer wuchernder Garten. Wohin das Auge blickt, wachsen Früchte, Gemüse, essbare Pflanzen und Gewürze. Zum Beispiel Jackfruit, Bananen, Chirimoya, Zimt, Chayote, Kürbis, Yucca, Ingwer, Kurkuma, Vanille und Hibiskus (hier auch Jamaica genannt). Jeden Tag kommt etwas anderes aus dem Garten auf den Tisch!
Als ich eines Tages Hibiskus ernte, besucht mich ein Tukan im Baum über mir. Ich erkenne ihn an seinem schwerfälligen Flug. „Flapflap“, eine Taube ist nichts dagegen. Er schaut mir eine Weile zu, wiegt seinen Kopf mit dem großen gelben Schnabel von rechts nach links und entscheidet sich für den Rückzug, just in dem Moment als ich endlich meine Kamera schussbereit habe. Weiter geht es im Programm. Blüten abknipsen, Blätter abzupfen, zum Trocknen ausbreiten. Wir beschneiden Kakaobäume, ich bereite Ingwer zum Trocknen vor, nehme Jackfruit aus, backe Kekse und vegane Brownies. Es gibt immer etwas zu tun.
Und natürlich die Schokolade!!! Ständig umweht ein sanftes Aroma die feine Nase.
Jorge, jüngster Spross der Familie, ist viel herum gekommen und hat mit seinen 26 Jahren bereits ein beeindruckendes Wissen rund um Kakao, Schokolade und Permakultur aufgebaut. Kakao rösten, mahlen, pressen. In Maschinen wird die Kakaomasse hier verfeinert, bis sie eine feine Textur aufweist. Neben essbaren Produkten wie rustikalen Trüffeln in mehr als 10 verschiedenen Geschmacksrichtungen, Brownies und Müsliriegeln, werden auch Lipbalm und Seife hergestellt.
Das Highlight sind natürlich die feinen Schokoladenbarren. Denn auch die hohe Kunst des Temperierens beherrscht man hier, dessen werde ich noch am ersten Abend Zeuge. Für die optimale Kristallisierung erhitzen, auf einer Granitplatte ausbreiten und abkühlen, auf Arbeitstemperatur bringen und in Formen gießen. Rütteln. Ich lasse mich in die Feinheiten der Schokoladenproduktion einweihen. Und schlussendlich gehören auch professionelle Verpackungen für Schokoriegel, Kakaopulver und -bohnen zum Programm.
Trotz meines Einsatzes als Volontär zahle ich hier 15 USD am Tag für Unterkunft und Verpflegung. Costa Rica ist teuer, doch für Außenstehende mag das verrückt anmuten. Ich hätte mir auch nie träumen lassen, dass ich fürs Arbeiten bezahlen werde. Aber hier ist es mir das wert! Und obwohl mein Telefon schon nach sieben Tagen abholbereit ist, bleibe ich fast zwei Wochen hier.
Innerhalb kürzester Zeit habe ich einen Einblick in den Produktionsprozess einer Schokoladenmanufaktur gewonnen und dabei Erfahrungen rund um Permakultur und Schokolade gesammelt, für die ich sonst wahrscheinlich monatelang hätte recherchieren müssen. Es war ein inspirierender Aufenthalt und vor meinem geistigen Auge nimmt die Vorstellung von einem eigenen „Schokoladenhäuschen“ bereits konkrete Formen an.