Leben 1.0

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Jetzt ist es soweit.

Ich habe meinen Job gekündigt, die Wohnung untervermietet, mein Hab und Gut verkauft oder verschenkt. Als Letztes folgte gestern – auf den letzten Drücker – mein Auto.

Morgen fliege ich nach Mittelamerika. Alles was ich brauche, habe ich in einen Rucksack gesteckt. 17 Kilo wiegt er, es ist überraschend, wie wenig Besitztümer tatsächlich notwendig sind. Meine Rückkehr ist für November 2016 vorgesehen. Vielleicht bleibe ich auch länger. Mal sehen. Es gibt keinen Plan und kein Ziel. Nur die erste Station steht fest: Guatemala. Die erste Nacht im Hostel ist gebucht, von dort wird es irgendwie weitergehen.

In den letzten Monaten wurde ich mit vielen Fragen überhäuft, deren Antworten für mich selbst lange nicht klar waren und für viele schwer nachzuvollziehen sind.

Warum willst du dein gutes Leben hier aufgeben?
Bist du unglücklich hier?

Ich selbst habe erst durch meine Reisen in den letzten Jahren erfahren, wie schön und bequem das Leben in Deutschland ist. Ja, es geht einem hier alles andere als schlecht. Wer sich der Leistungsgesellschaft anpasst, kann sich ein gutes Leben machen. Sich eine schöne Wohnung oder ein Haus leisten, essen gehen, ins Kino, Theater und anderen Hobbys frönen. Vorsorge für´s Alter ist auch noch drin. Die Sozialsysteme sind einzigartig, das demokratisch gefestigte System gibt einem Freiheiten, von denen andere Nationen nur träumen können. Und doch blieb nach jeder Reise das unbestimmte Gefühl, dass etwas fehlt.

Freiheit. Im Hier und Jetzt zu leben, das Leben jede Sekunde zu genießen und zu tun, wonach einem gerade der Sinn steht, ist in Sitzen den Karrierekarussells schwierig.

Zeit. Davon bleibt im hektischen Arbeitsalltag, im ständigen Bestreben, die Grundlage für den Wohlstand zu schaffen, nur allzuwenig übrig.

Unbeschwertheit. Das einmal geschaffene Wohlstandsniveau zu erhalten, schafft zahlreiche Verpflichtungen. Das oftmals unbewusste Bestreben, gesellschaftliche Erwartungen zu erfüllen, setzt Grenzen.

Grenzen, die man erst erkennt, wenn man daraus ausbricht.

Ich habe mich bewusst entschieden, das gut situierte Leben und das Sicherheitsnetz hinter mir zu lassen. Ein Jahr lang ohne Verpflichtungen die Welt zu entdecken. Zu sehen, wohin das Leben mich führt, wenn ich jeden Tag auf´s Neue entscheiden kann: Will ich das, oder nicht?