Heute ist ein herrlicher Tag, ich werde alles über Schokolade lernen. Und zwar von denen, die es wissen müssen. Ich befinde mich in San Pedro Columbia, einem malerischen Maya-Dorf im abgelegenen Süden von Belize. Die Familie von Eladio Pop hat ihre Wurzeln bei den Kekchi-Indianern und pflegt eine lange Tradition im Anbau von Kakao und der Herstellung von Schokolade.
Der Kakao
Feliciano Pop begleitet mich auf die Kakaofarm, die Ehre der Namensgebung gebührt dem Agouti, einem in in Mittel- und Südamerika heimischen, possierlichen Nager. Sein Bestreben, seine Nahrung an verschiedenen Stellen seines Reviers zu horten, wird leider durch sein schlechtes Gedächtnis konterkariert. Ist mir irgendwie sympathisch der Kerl. Doch des einen Leid ist des anderen Freud, die Farm erhält durch das vergessliche Tier seine natürliche Artenvielfalt.
Dieses Interesse am natürlichen Anbau wird beim Betreten der Farm deutlich, welche auf den ersten Blick gar nicht wie eine Plantage aussieht. Das Gelände ist übersät mit riesigen Bäumen, darunter Mahagoni, Ceiba, Gombolimbo (hier auch „tourist tree“ genannt, weil seine rötliche Rinde sich vom Stamm zu schälen scheint, ganz so wie die Haut einiger übermütiger ausländischer Sonnenanbeter) und einem Gehölz mit dem wohlklingenden Namen Madre de Cacao. Darunter mischen sich Kokospalmen, Zitrus- und Mangobäume und Bananenstauden. Auch Piment, hier bekannt als „Allspice“ und Kardamom lassen sich hier finden.
Wo aber ist der Kakao? Erst auf den zweiten Blick werde ich der eher unscheinbaren Bäumchen unter dem schattenspendenden Blätterdach gewahr. Kakaopflanzen brauchen eine ausgewogene Mischung aus Licht und Schatten und bieten so eine perfekte Möglichkeit, ökologischen Anbau zu betreiben.
Hier werden drei Kakaosorten angebaut. Nein vier! Eine davon ist jedoch gar kein Kakao… Verwirrung!!! Aber beginnen wir von vorn!
Hier in Belize ist der Criollo heimisch, mit einer rundlichen Schote, deren grüne Farbe sich während der Reifephase zu gelb wandelt. Ursprünglich aus Brasilien stammt die Sorte Forastero, die sich durch längliche, lilafarbene Schoten auszeichnet. Die dritte Kakaosorte namens Trinitario, ist eine Mischung aus diesen beiden. Auch wenn sie bereits eine Hybride ist, zählt sie zu den alten Sorten, auf deren Erhaltung hier besonderen Wert gelegt wird. Zwar sind diese weniger ertragreich und wachsen langsamer, doch was wenn die anfälligeren Züchtungen einmal ausgerottet werden?
Nur beste Qualität zu produzieren ist hier eine Frage der Maya-Ehre. Deswegen zieht die Familie neue Setzlinge nur aus Samen der alten Sorten. Diese erkennt man nicht etwa an der äußeren Schale, sondern an der satten purpurne Farbe der Bohnen.
Kakaobäume blühen das ganze Jahr über, die filigranen Blüten wie auch die Früchte befinden sich direkt am Stamm und an den dicken Ästen. Drei bis vier Jahre dauert es, bis ein Baum die ersten Früchte trägt. Während der 8-monatigen Erntephase kann ein Baum bis zu 100 Schoten tragen. In der Regenzeit jedoch verenden die Blüten oder spätestens die Früchte an Wasserüberschuss.
Nun zum Kakao, der gar kein Kakao ist. Hier wird er Balam, oder auch Jaguar Fruit genannt.
„Es gibt immer Mann und Frau“, erklärt mir der alte Kekchi Eladio und hält eine Balamschote gen Himmel. „Der Kakaobaum ist wie eine Frau und Balam der männliche Gegenpart. Hochgewachsen und stark, wie ein Jaguar.“ Erklären kann er seine Theorie nicht, es sind Erfahrung, Tradition und Naturverbundenheit, die aus ihm sprechen.
Die grüne footballförmige Schote des Balam sieht der des Kakaobaums in der Tat zum Verwechseln ähnlich. Sie stammt jedoch von einem völlig anderen Baum. Er braucht mit 9-12 Jahren deutlich länger bis zur ersten Frucht, und an den hohen Bäumen, mit den großen rundlichen Blättern, werden nur 15 Früchte pro Jahr wachsen. Seine Bohnen sind weiß und flacher als Kakao, umhüllt von gelbem, süßem Fruchtfleisch. Die vom Kakao hingegen sind von einem dunklen Lila, eingebettet in weißes, süß-säuerliches und äußerst schmackhaftes Fruchtfleisch.
Der richtige Erntezeitpunkt spielt für die Produktion eine wichtige Rolle, sind die Schoten zu trocken, beeinträchtigt dies den Fermentationsprozess. Diesen kannten die alten Maya übrigens gar nicht. Die Bohnen wurden am Tag nach der Ernte gewaschenen und dann getrocknet. Sie waren Zahlungs- und Nahrungsmittel zugleich, das „Gold der Maya“. Geröstet und gemahlen dienten sie als Hauptzutat für die heiße Schokolade, Energielieferant und alltägliches Nahrungsmittel. Getrunken wurde es übrigens ungesüßt, allenfalls gewürzt mit Chili oder Kardamom.
Für die Schokoladenherstellung, wie wir sie heute kennen, werden die Bohnen direkt nach der Ernte in einem mit Bananenblättern ausgeschlagenen Behälter fermentiert. Dadurch erhalten die Bohnen zusätzliches Aroma und verlieren einen Teil der Bitterstoffe. Nach 6 Nächten und regelmäßiger Bewegung (sie müssen alle 2 Tage gewendet werden), werden sie dann zwei Wochen lang an einem luftigen und warmen Ort getrocknet.
Die Schokolade
Nun geht es aber endlich ans Schokolade machen!!
Zuerst werden die Zutaten langsam und bei geringer Hitze auf offenem Feuer geröstet (30 Minuten), der Rauch sorgt dabei für zusätzliches Aroma. Das Innere nimmt dabei den uns bekannten dunkelbraunen Farbton an. Traditionell werden hier auch ein paar Balam-Bohnen und – ganz wichtig – Pimentkörner mitgeröstet und verarbeitet. Das bringt ein unverwechselbares Aroma und jetzt riecht es auch endlich so richtig schokoladig! Mmmmhhhh…
Nun muss noch die Schale von der Bohne entfernt werden. Entweder schält man die Bohnen per Hand, Victoria zeigt mir aber, wie es schneller geht. Grob zerkleinert kann man die leichteren Schalen leicht von den schweren Bohnenstückchen herunter pusten. Es lohnt sich übrigens, die Schalen aufzubewahren. Daraus lässt sich ein schmackhafter Tee zubereiten, der Wunder bei Menstruationsbeschwerden wirkt.
Als nächstes werden die Bohnen gemahlen, Victoria verwendet dafür traditionell einen Mahlstein, genannt Metate und Amano, welcher unter den Maya-Frauen von Generation zu Generation weitergegeben wird. Die fettige, braune Paste, die dabei entsteht, ist die Grundlage für jedes Schokoladenprodukt. Sie hat mit dem, was wir aus dem Supermarkt kennen, allerdings wenig zu tun.
Für meine heiße Schokolade wird diese Paste nun mit Wasser vermischt, bis sie eine sämige Konsistenz erreicht. Victoria füllt die dampfende Flüssigkeit in eine zierliche, mit filigranen Schnitzereien verzierte Schale, genannt Kalabash und von besonderer Bedeutung für die Maya. Zu ganz besonderen Gelegenheiten wie etwa Hochzeiten wird daraus getrunken.
Der schwere Duft von Schokolade hängt im Raum. Die Flüssigkeit schmeckt etwas bitter und nussig. Besonders lecker sind die kleinen Stückchen, die als Bodensatz im Becher zurückbleiben. Schon nach wenigen Schlucken wird mir klar, wie reichhaltig der Kakao ist. Getränk und Essen zugleich. Da braucht es keinen Zucker und eines weiß ich schon jetzt: Ab jetzt mache ich meine eigene Schokolade!
P.S. Hier die Zusammensetzung einer herkömmlichen Milchschokolade (zum Abgewöhnen):
45% Zucker
20% Butter
20% Kakao (Herstellung s. oben)
15% Milchpulver